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Beitrag zum ESE-Kongress 2023: KI – Wunsch und Wirklichkeit

Vom 04. bis zum 08. Dezember fand in Sindelfingen der ESE-Kongress 2023 statt. Auch in diesem Jahr stellte die comlet mit mir, Simon Duque Antón, einen Referenten. Ich hatte das Vergnügen, vor einem interessierten Publikum über Erwartungen zu sprechen, die gerade von Nicht-Experten häufig an KI-Anwendungen gestellt werden, diese ein wenig zu entmystifizieren und in den großen Kontext der Geschichte von KI und ihrer Entwicklung einzuordnen. Ich konnte diskutieren, wie in der Praxis häufig Wunsch und Wirklichkeit in Bezug auf die Anwendung von KI auseinandergehen und einen nüchternen, Projekt-basierten Ansatz vorschlagen, um einen realistischen Umgang mit den Chancen von KI zu motivieren.

KI – das große Mysterium

Nicht zuletzt durch Science Fiction hat KI immer einen gewissen popkulturellen Beigeschmack. Computer, die ein Bewusstsein entwickeln, werden bereits seit Jahrzehnten in Filmen thematisiert. Auch in der wissenschaftlich-technischen Entwicklung gibt es heiße Diskussionen darüber, ob, beziehungsweise wann uns die Singularität ereilt. Als Singularität wird hierbei das Entstehen einer KI mit Bewusstsein bezeichnet, die dann, aller Voraussicht nach, in ihrer Intelligenz den Menschen weit überlegen wäre. 
An dieser lohnt es sich, die unterschiedlichen Arten von KI zu betrachten. 

Starke und schwache KI

 
Diese Unterscheidung wird häufig vernachlässigt, ist jedoch kritisch für das Verständnis der Möglichkeiten und Risiken von KI. Alle heute verwendeten KI-Systeme sind sogenannte schwache KI. Das bedeutet, dass sie durch menschliches Zutun implementiert und optimiert werden, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Und das klappt in vielen Bereichen hervorragend. Sprach- und Bilderkennung etwa sind in der Lage, automatisiert Inhalte zu erkennen und zu bewerten. Diese KI hat ein eng begrenztes Anwendungsspektrum, das systemisch nicht überschritten werden kann. Hier ist die Gefahr eines die Weltherrschaft an sich reißenden Systems also gering. 
Im Gegensatz dazu ist starke KI in der Lage, Wissen und Fähigkeiten zwischen unterschiedlichen Anwendungsfeldern zu übertragen, sich selbst weiterzuentwickeln und neue Anwendungen zu erschließen. Bislang ist die starke KI lediglich ein Konzept, es gibt keine praktische Implementierung. Jedoch handelt es sich bei Science Fiction stets um starke KI.

KI in der Anwendung

Auch abseits der Vorstellung einer allumfassenden, sich ihrer Selbst bewussten KI geistern Mythen und falsche Erwartungen durch die KI-Landschaft. Eine der spannendsten Fehlannahmen ist die, dass es sich bei KI um ein modernes Phänomen handelt. Da sich bereits 1950 Alan Turing die Frage stellte, “can machines think?”, ist das Konzept denkender Systeme also knapp 75 Jahre alt.

Generell wird häufig erwartet, dass man Daten verwendet, sie einer KI gibt und am Ende die Lösung aller Probleme erhält.  Das entspricht, leider, nur in den seltensten Fällen der Wahrheit. Grundsätzlich gibt es große KI-Systeme, die in der Lage sind, mit unstrukturierten Daten zu arbeiten und sinnvolle Ergebnisse zu liefern. Jedoch werden Ergebnisse in aller Regel zuverlässiger, wenn man Domänenwissen anwendet. Auch ist es leichter nachzuvollziehen, weswegen Systeme fehlschlagen, wenn man ein Verständnis der Daten hat. Das führt zur wichtigsten – und wahrscheinlich am häufigsten vernachlässigten – Regel: Ohne Datenstrategie kann man keine sinnvolle KI-Strategie entwerfen.

Die drei wichtigsten Kriterien: Daten, Daten, Daten

Daten sind allgegenwärtig. Alle Endgeräte, zahlreiche Fahrzeuge, die zunehmende Anzahl von IoT-Geräten: Sie alle produzieren quasi kontinuierlich Daten. Definitionen des Internet of Things (IoT) beispielsweise betonen explizit, dass durch Daten ein Mehrwert geschaffen wird. Denn die generierten Daten wollen genutzt werden. Dafür müssen sie aber zunächst gesammelt und aufbereitet werden. Reale Daten unterliegen zahlreichen Einschränkungen: Oft sind sie verrauscht, es fehlen einzelne Datenpunkte, die Einheiten oder Abtastraten sind inkonsistent, um nur einige der Einschränungen zu nennen. Eine Umfrage von Forbes (auf Englisch) diskutiert, dass 80% aller Data Scientists die meiste Zeit mit dem Sammeln oder Aufbereiten von Daten verbringen. Interessanterweise ist das auch die Arbeit, die den befragten Data Scientists am wenigsten Spaß macht. Häufig sind die Datenquellen auch nicht kontinuierlich mit Netzen verbunden, oder nur über datenratenbeschränkte Netze erreichbar, wie etwa im Kontext des Forschungsprojektes WaVe. In industriellen Umgebungen, wie etwa im Forschungsprojekt 5G-CANKRIN behandelt, kommen Anforderungen an die Datenerhebung hinsichtlich proprietärer Protokolle und lange verwendete Maschinen ohne moderne Schnittstellen hinzu.

KI: Eine nüchterne Betrachtung

Grundsätzlich wird von KI oft erwartet, grundlegende Erkenntnisse zu liefern. Welche Erkenntnisse erwünscht sind, wird dabei gerne ausgelassen. Grundsätzlich sollten Projekte mit KI betrachtet und abgewickelt werden, wie andere Projekte im Software-Bereich: Durch planvolles Vorgehen, frühzeitiges Einbeziehen von Entscheidungsträgern und in der Umsetzung getrieben von Fachexpertinnen und -experten. Es sollten klare Ziele definiert werden, die messbar und realistisch sind, welche dann von den an der Umsetzung beteiligten Personen hinsichtlich des Zeit- und Arbeitsaufwandes abgeschätzt werden. Dadurch werden die Erwartungen automatisch in einen realistischen Rahmen eingebunden, die Ergebnisse können bereits zu Projektbeginn abgeschätzt werden. Wie mein Nachredner auf dem ESE-Kongress, Dr. Thomas Kittler, spannend vortrug, kommt es bei KI-Anwendungen stark auf die verwendeten Metriken an: Wie kann ein Ziel gemessen und bewertet werden? Doch auch das kann durch sinnvolle Planung entschieden werden. Ein weit verbreitetes Modell zum Vorgehen bei der Projektierung von KI- und anderen Data Science-Aktivitäten ist der Cross-Industry Standard Process for Data Mining (CRISP-DM). Ähnlich wie bei anderen Projekten werden zunächst Geschäftsziele formuliert, aus denen technische Ziele abgeleitet werden. Nachdem die große Aufgabe der Datenvorverarbeitung und -aufbereitung abgeschlossen wurde, wird das Modell erzeugt, evaluiert und abschließend ausgerollt. Lebenszyklus-Management ist auch hier wichtig, da sich zum einen die technischen Werkzeuge kontinuierlich weiterentwickeln. Zum anderen ist aber auch eine kontinuierliche Betrachtung der Modelle wichtig, da sich die Daten über die Zeit ändern können, sodass die Güte des Modells sinkt. Hier sollte regelmäßig validiert und gegebenenfalls nachjustiert werden.

Fazit

KI bietet eine enorme Anzahl an Möglichkeiten. Aufgaben lassen sich effizient automatisieren. Die Anzahl an Domänen, in denen KI verwendet wird, steigt. Allerdings ist KI kein Allheilmittel: Auch die Verwendung von KI unterliegt Einschränkungen. Diese lassen sich allerdings durch planvolles Vorgehen und eine realistische Erwartungshaltung minimieren. 

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